In verschiedenen Internet-Foren, unter anderem auch auf den Diskussionsseiten der niederdeutschen Wikipedia, ist die Frage aufgetaucht, warum nicht auf der plattdeutschen Flagge ein Sachsenross abgebildet ist. Wir möchten das Für und Wider des Sachsenrosses und anderer Symbole hier kurz erörtern.
Das Sachsenross ist ein starkes Symbol. Es zeugt von Willenskraft und Lebendigkeit. Das springende Ross ist für viele das Zeichen Niedersachsens schlechthin. Leider ist nicht bewiesen, ob das Pferd bereits in germanischer Zeit ein gebräuchliches Symbol für die Sachsen war. Hinweise darauf gibt es zwar, Vorsicht ist dennoch geboten. Es taucht immerhin nicht einmal in der berühmten Sachsengeschichte des Widukund von Corvey auf. Vermutlich hatten die Sachsen einen Pferdekult, und dass bei den Germanen das Pferd allgemein als heiliges Tier galt, ist bekannt. Bekannt ist Sleipnir, Odins achtbeiniges Pferd, und sicher wurde Woden auch auf dem Festland das Pferd zu geordnet. Nach der Bekehrung war es verboten, Pferdefleisch zu essen, weil man befürchtete, hier würde ein heidnisches Opferfest zu Ehren Wodens begangen. Bekannt und beliebt sind die Pferde an den niedersächsischen Bauernhäusern. Bekannt ist, dass die mythischen Anführer der Angelsachsen Hengist und Horsa hießen. Bekannt ist auch die Legende, nach der Widukind zunächst ein schwarzes, dann ein weißes Pferd gehabt haben soll. Das alles spricht scheinbar für das Ross. Zwar hat sich das Pferd in Sachsen als Landessymbol erst durch die Ausbreitung der Welfen durchgesetzt, ein genialer Propagandaschachzug der ursprünglich landesfremden Welfen, dies bedeutet aber nicht, dass die Welfen nicht bewusst an frühere Traditionen angeknüpft hätten. Heutzutage steht das weiße Ross für den Bundesstaat Niedersachsen. Ironisch gesprochen ist aus dem stolzen plattdeutschen Sachsensross ein hochdeutsch sprechender Amtsschimmel geworden. Das weiße Ross symbolisiert heute leider nicht plattdeutsche Kultur. Die Einengung auf Niedersachsen spricht ferner gegen eine Verwendung des Pferdes in einer plattdeutschen Flagge. Zudem ist das weiße Ross ein Zeichen der Unterwerfung unter die Franken. Stammesstolz würde vielmehr die Verwendung eines schwarzen Rosses signalisieren. Dies berührt aber bereits die schwierige Frage, wie wir mit dem heidnischen Erbe umgehen sollen.
Ein starkes Symbol wäre nämlich auch eine stilisierte Irminsul. Bekanntlich ließ Karl diese Himmelssäule der Sachsen zerstören. Die Benutzung heidnisch-germanischer Symbole verbietet sich aber aus dem Kontext der jüngeren deutschen Geschichte. Dass die Rezeption der sächsischen Stammesgeschichte von der Vereinnahmung durch die Nazis besonders betroffen ist, bleibt eine tragische Ironie des Schicksals.
Ein drittes, zuweilen vorgeschlagenes Symbol soll noch erwähnt werden: Die Hansekogge. Die Hansekogge steht für Handel und Weltoffenheit. Sie ist sicher ein viel unverfänglicheres Symbol als das heidnische Pferd. Allerdings dürfen wir nicht übersehen, dass zum Beispiel Niedersachsen ein riesiges Flächenland ist. Der niedersächsische Bauer an der Leine hat mit der Hansekogge nur sehr entfernt etwas zu tun. Die Gefahr ist auch, dass das Sachsenross oder eine Hansekogge oder beides eine Fahne überladen und allzu folkloristisch aussehen ließe.
Eine Flagge soll sich vor allem durch Klarheit und schnelle Erkennbarkeit auszeichnen!
Hansekogge und Sachsenross wären Symbole für ein Wappen, ähnlich wie es die Bundesflagge mit und ohne Adler gibt. Auch Dänemark führt nicht ein Drachenschiff auf der Flagge. Eine Flagge sollte eine Nation, ein Land, eine Region, eine Sprache oder hier Regionalsprache in seiner Gesamtheit repräsentieren.
In Europa gibt es vorwiegend zwei Typen von Flaggen: Die so genannten Trikoloren und die Kreuzfahnen nordischen Typs. Die älteste dreifarbige Balkenfahne ist übrigens die niederländische Prinsenvlag, Trikolore im strengen Sinne nennen wir nur die französische Fahne, die durch die Revolution Vorbild für viele europäische Fahnen wurde. Die so genannten Kreuzflaggen stehen eher für den Norden als Landschaft, als für eine bestimmte politische Richtung. Mit Ausnahme der englischen Flagge werden diese Fahnen auch nicht als christlich gedeutet. Sie haben mittlerweile ihre eigene Symbolsprache.
Mit der plattdeutschen Flagge haben wir eine Flagge vorliegen, die sich im Reigen der europäischen Fahnen gut sehen lassen kann. Durch den Verzicht auf Wappentiere besteht ferner die Möglichkeit, dass jede Region, jede Ortschaft ihr eigenes Wappen in die plattdeutsche Fahne einbringt. Ferner hoffen wir, dass die plattdeutsche Flagge nicht nur von Niedersachsen, sondern auch Ostfriesen, Schleswigern und Mecklenburgern angenommen wird. Mögen viele plattdeutsche Freunde in der Fahne die Landschaft, in der unsere Sprache einst entstanden ist wieder erkennen: Das platte grüne Land mit den vielen Flüssen, die zur See fließen.